Die letzten Minuten der
Mary Jane
In einer Zeit, in der die Meere voller Geheimnisse und Schrecken waren, segelte die Mary Jane, ein stolzes Segelschiff, das schon viele Stürme und Unwetter überstanden hatte.
Die Besatzung, allesamt erfahrene Seemänner und Frauen, war ausgelassen und guter Dinge, denn sie hatten Wochen ruhiger See hinter sich, und die Nacht versprach erneut Frieden.
Es war mitten in der Nacht, als plötzlich ein unheimliches Schweigen das Schiff überfiel.
Der Wind ließ nach, und das Meer lag unnatürlich still, wie ein gewaltiges schwarzes Auge, das das Schiff unerbittlich fixierte.
An Bord der Mary Jane fühlte sich die Besatzung zunehmend unbehaglich.
In der Ferne sah man ein leises Glühen unter der Wasseroberfläche, das sich näherte, ein leuchtender Kranz, als würde das Meer selbst plötzlich in Flammen stehen.
Ein dumpfes Grollen ertönte tief unter der Mary Jane, und das Wasser begann, sich zu kräuseln, dann zu brodeln. Bevor jemand begriff, was geschah, brach aus der Tiefe ein kolossaler Kragen empor – wie aus einem Albtraum – bedeckt mit unzähligen Fangarmen, die sich mit erschreckender Präzision um den Schiffsrumpf schlangen.
Die riesigen Tentakel zogen das Schiff zu sich herab, als wäre es nur ein Spielzeug.
An Deck herrschte Panik. Die Männer und Frauen schrien, klammerten sich an die Seile und Reling, versuchten verzweifelt, den Griff der monströsen Kreatur zu lösen.
Doch die Fangarme waren unerbittlich. Das Holz knarrte und splitterte, als das Schiff weiter in die Tiefe gezogen wurde.
Es war, als habe das Meer sich in ein schwarzes Maul verwandelt, das die Mary Jane mit jedem Augenblick tiefer verschlang.
Doch inmitten des Chaos und des Schreckens gelang es einer jungen Frau, sich auf das kleine Beiboot zu retten.
Sie hatte langes Haar, das nun vom Wind erfasst wurde und wie ein dunkler Schleier um sie flog. In ihren Augen spiegelten sich Angst und Fassungslosigkeit, während sie das alles aus sicherer Entfernung beobachtete, ihr Blick unverwandt auf die versinkende Mary Jane gerichtet.
Ohne die Kraft zu schreien oder zu weinen, sah sie, wie das stolze Schiff langsam unter die Wasseroberfläche gezogen wurde, als sei es nie existiert.
Die Schreie ihrer Kameraden verstummten in der unbarmherzigen Tiefe.
Dann – Stille.
Die junge Frau trieb in dem kleinen Beiboot, umgeben von Dunkelheit, dem leisen Plätschern der Wellen und dem unheimlichen Gefühl, dass das Meer sie beobachtete.
Sie blieb allein zurück, ein einsamer Zeuge dieses unfassbaren Geschehens, bis der Morgen über dem endlosen Horizont dämmerte.
Was wäre, wenn es Riesenkraken wirklich gäbe?